Unser Freund und Mitstreiter Hans Joachim (Jochen) Ernst ist am 26. 11. 2020 im Alter von 72 Jahren verstorben.
Jochen Ernst hat sich um die Landschaftspflege in Deutschland verdient gemacht. Jochen Ernst ist 1948 in dem Dorf Gatow am südwestlichen Rand des Berliner Bezirks Spandau geboren. Dieses Dorf umfasst rd. 500 ha Landwirtschaftsfläche.
80 ha davon gehörten zum Annenhof der Familie Ernst, an die hier erinnert werden soll. Der Annenhof wurde in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts von Jochen Ernsts Grossvater Otto Ernst gegründet. Er war um die Jahrhundertwende aus dem Magdeburgischen als Gutsinspektor auf das Gut Neukladow gekommen.
Aus diesem Gut stammte die Mutter des Reichskanzlers Otto von Bismarck (Louise Wilhelmine Menken). Zu Otto Ernsts Zeit war das Gut ein kultureller Mittelpunkt. Der Kunsthistoriker Johannes Guthmann führte dort ein offenes Haus. Künstler wie Max Slevogt, Gerhard Hauptmann, Max Reinhardt und Philosophen und Politiker wie der spätere Außenminister Walther Rathenau verkehrten hier.
Als die Familie Guthmann das Gut 1928 aufgab, kaufte Otto Ernst im nahen Dorf Gatow einen insolventen Milchbetrieb mit 80 Hektar Land, den er nach seiner Frau, Jochen Ernsts Grossmutter Anna benannte. Er führte den Betrieb zu neuer Blüte und belieferte exklusiv die Zeppeline, die auf dem nahen Flugplatz Staaken zu Interkontinentalflügen starteten, mit Milchprodukten.
Als Jochen Ernsts Vater Oskar 1946 aus Krieg und Gefangenschaft nach Hause kam, war der Hof mehrfach geplündert. Um die Lebensmittelknappheit zu entschärfen, wies die alliierte Kommandantur dem Annenhof 80 Arbeiter und 32 Pferde (16 Gespanne) zu, mit denen die Familie Ernst vor allem Gemüse anbaute, das sie an die Lebensmittelverteilung der Kommandantur abzuliefern hatte. Oskar Ernst wurde für seine Aufbauarbeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Nach seiner Landwirtschaftslehre auf dem elterlichen Hof und einem mit moderner Technik ausgestatteten Zuckerrübenbetrieb bei Uelzen besuchte Jochen Ernst die Fachhochschule Hildesheim, die er 1971 mit dem Diplom als Landwirtschaftsingenieur abschloss. Der Wandel in der Landwirtschaft und der Nutzungsdruck der Berliner Erholungsuchenden auf seinen Flächen hat Jochen Ernst früh zum Nachdenken gebracht.
Lange bevor der Zeitgeist den Natur- und Umweltschutz entdeckte, hat er sich für seine Beachtung in der Landwirtschaft eingesetzt und mit dem Arbeitskreis Gatow dafür gesorgt, dass diese größere Feldflur im damals noch eingemauerten West-Berlin freigehalten und in ungezählten freiwilligen Einsätzen naturschutzfachlich aufgewertet wurde.
Diese Arbeit hat Jochen Ernst mit dem 2006 von ihm initiierten Landschaftspflegeverband Spandau professionalisiert und auf ganz Spandau ausgeweitet. Seit seiner Gründung bis 2020 war Jochen Ernst 1. Vorsitzender des Landschaftspflegeverbandes und war bis zuletzt sein Ehrenvorsitzender.
Nicht nur Schutz und Verbesserung unserer natürlichen Lebensgrundlagen lagen Jochen Ernst am Herzen, sondern auch das soziale Klima der Stadt. Gleich nach der Wiedervereinigung gründete er mit dem Vorsitzenden der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Edwin Hörnle, Berlin-Marzahn, und Landwirtschaftswissenschaftlern der Humboldt-Universität den gemeinnützigen Verein GAIA (Gesellschaft für Arbeit, innovativen Landbau und Ausbildung), den er viele Jahre als Vorsitzender leitete. Der Verein hat mehreren tausend Menschen mit verschiedenen Arbeitsbeschaffungsmassnahmen geholfen.
Jochen Ernst war 25 Jahre ehrenamtlicher Arbeitsrichter (15 Jahre Arbeitsgericht Berlin, 10 Jahre Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg) und bis zuletzt Landwirtschaftsrichter. Er war landwirtschaftlicher Gutachter und öffentlich bestellter Gutachter der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen. Sein Leben lang hat er sich in den Vereinen seines Dorfes Gatow engagiert, der Feuerwehr, der Kirchengemeinde, dem Fußballverein. 2019 hat Jochen Ernst seinen Annenhof der Stiftung Deutsche Landschaften, Stiftung des Dachverbands der 181 deutschen Landschaftspflegeverbände, geschenkt und damit die bedeutendste Zustiftung in das Vermögen der Stiftung geleistet. Die Stiftung hat sich verpflichtet den Hof nicht zu verkaufen, sondern zu erhalten und dort an die Familie Ernst zu erinnern. Sie wird den Hof als Kommunikationszentrum für die Landschaftspflegebewegung zu nutzen.
Die Trauerfeier für Jochen Ernst findet am, Freitag, 4. 12. 2020 um 11 Uhr in der Dorfkirche Gatow, Alt-Gatow 32/38, 14089 Berlin statt. Die Beerdigung auf dem Friedhof der Dorfkirche schließt sich an.
Jochen Ernst würde sich keine Blumen und Kränze wünschen. Aber über Spenden für den Ausbau des Annenhofs als Kommunikationszentrum der deutschen Landschaftspflegeverbände hätte er sich gefreut.
Für die Stiftung Deutsche Landschaften und alle Freunde von Jochen Ernst
Josef Göppel / Matthias Schillo
Spendenkonto Kommunikationszentrum Annenhof Gatow
DE94 7655 0000 0008 9187 24
– Berliner Tagesspiegel vom 29.11.2020 –